ZWISCHENRUF

»Zwischenruf« Nr. 8 von Petra Niemann über Leerstände von Immobilien in Findorff


» Eigentum verpflichtet längst zu nichts mehr ! «

Moin! Ich hätte eine wichtige Frage an alle: »Wieso stehen eigentlich noch Häuser und Gewerbeflächen leer,

verfallen und werden nicht gepflegt ?« Auch in Findorff kann man Leerstand beobachten: Allein in der jüngst zum Klimaboulevard aufgewerteten Münchener Straße stehen fünf Geschäfte leer – und längst noch nicht jede Wohnung ist vermietet. »Eigentum verpflichtet« ist im Artikel 14 im Grundgesetz festgeschrieben. Gemeint sind mit dieser Aussage auch EigentümerInnen von Immobilien, die in der Verantwortung stehen, ihren Besitz im Interesse der Solidargemeinschaft nicht verkommen zu lassen, sondern leerstehende Häuser und Wohnungen zur Verfügung zu stellen – wo doch die Wohnungsnot immer größer wird und viele Menschen sich mit hohem Risiko verschulden, um noch irgendwie ein Dach über dem Kopf zu finden.

 

Papier und Politik sind bisher sehr geduldig statt öffentlich Druck zu machen.


Der soziale Gedanke der gesellschaftlichen Verantwortung ist in heutiger Zeit leider verloren gegangen: Eigentum verpflichtet längst zu nichts mehr. Der Artikel 14 findet in der Realität keine Anwendung. Aber Papier und Politik sind bisher sehr geduldig, anstatt das wenigstens öffentlich Druck gemacht wird. Ungläubig lese ich in einem Jubelartikel über unseren Stadtteil folgende Aussage: »Findorff ist ... eher ein Ort, wo man als Familie gut lebt. Und das hat sich mittlerweile so herumgesprochen, dass die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren enorm angezogen sind.« Meine Nachfrage dazu: Warum ist es für eine Findorffer Lokalpolitikerin ein politischer Erfolg, wenn aufgrund der Tatsache, das man als Familie in Findorff gut lebt, die Immobilienpreise auch in unserem Stadtteil in den vergangenen Jahren enorm angezogen sind ? Wie man gesellschaftlich relevante Entwicklungen zu Lasten der Menschen so fehlinterpretieren kann, ist für mich leider nicht verständlich. 

 

Bezahlbarer Wohnraum und Gewerbeflächen sind rar wie nie zuvor.


Tatsache ist: Es gibt EigentümerInnen, die – aus welchen für mich nicht nachvollziehbaren Gründen auch immer – ihre Immobilien über Monate oder sogar Jahre leer stehen lassen und Wertverlust und Verfall in Kauf nehmen – statt zu fairen Preisen zu vermieten. Bezahlbarer Wohnraum und Gewerbeflächen sind rar wie nie zuvor. Gleichzeitig sind die Mieten unermesslich in die Höhe geschossen, dass besonders ExistenzgründerInnen, KleinunternehmerInnen oder KünstlerInnen die Mieten mit ihrer Arbeit nicht mehr bezahlen können. Auch ich habe meine Galerie in Findorff am bisherigen Standort schließen müssen –und suche jetzt eine bezahlbare Alternative: Bitte melden! Um keine Irritationen aufkommen zu lassen: Natürlich bleibt es EigentümerInnen überlassen, wie sie mit ihrem Hab und Gut umgehen und es ist rechtens, so zu vermieten, wie es die Nachfrage hergibt. Die Zeit der Hausbesetzungen ist längst vorbei, aber man sollte sich auch überlegen, dass die Welt nicht nur aus Geld, sondern auch aus Kunst, Kultur und Träumen besteht.

 

Das Zusammenspiel von EigentümerInnen und Kreativen wäre ein Gewinn für den Stadtteil.


Warum also nicht Leerstände zum Nutzen aller Beteiligten mit neuem Leben füllen ? EigentümerInnen generieren Einnahmen, die Immobilie wird gepflegt und bekommt eine neue positive Ausstrahlung. Ungenutzte Flächen hingegen können unnötige Kosten verursachen, ziehen Vandalismus an und haben zudem eine negative Ausstrahlungskraft – die irgendwann auch auf das Image des gesamten Stadtteils abfärben kann. Das Zusammenspiel von EigentümerInnen und Kreativen vor Ort wäre ein Gewinn für alle Akteure und den gesamten Stadtteil. Mein Appell an alle, die dringend benötigte Flächen leer stehen lassen:

  • Vermieten Sie Wohn- und Nutzflächen zu fairen Preisen.
  • Bieten Sie jungen Menschen und Familien eine Chance, ihre Träume vom Leben zu verwirklichen.
  • Geben Sie KünstlerInnen, jungen ExistenzgründerInnen und KleinstunternehmerInnen mehr Chancen: Sie bereichern mit Ideen und machen Straßenzüge bunt und liebenswerter.
  • Hauchen wir Ihren Leerständen gemeinsam neues Leben ein.

»Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn.« postulierte Marcel Reich-Ranicki. Ich würde noch ergänzen: »Geld allein macht nicht glücklich. Es gehört zum eigenen Glück auch gesellschaftliche Verantwortung dazu.«

 

Mit herzlichen Grüßen,

Petra Niemann

Die Autorin


Petra Niemann

Petra Niemann ist Inhaberin der Galerie »Kunst-Flash«; bis vor kurzem in der  in der Münchener Straße. Sie malte bereits als Kind und ist bis heute von Farben und der Malerei begeistert. Nach einer Ausbildung als Tischlerin fing sie wieder an, ihre künstlerische Kreativität neu zu entdecken. 

 

Kontakt und weitere Informationen: www.kunst-flash.de